Unruhe: Die 9. Fessel

Die Unruhe ist ein Zustand der Unsicherheit und Ruhelosigkeit.

Buddha nannte die Fessel uddhacca.


Wer etwas ergreift, hat Unruhe;
Wer nichts ergreift, hat keine Unruhe.
Wo keine Unruhe ist, da ist Ruhe;
Wo Ruhe ist, da ist keine sinnliche Lust;
Wo keine sinnliche Lust ist, da ist kein Kommen und Gehen
Wo kein Kommen und Gehen ist, da ist kein Vergehen und Neuentstehen;
Wo kein Vergehen und Neuentstehen ist, da ist weder diese noch jene Welt, noch was zwischen beiden liegt.
Dies ist des Leidens Ende.

Erleuchtung Erleben

Unruhe

Die 9. Fessel im Buddhismus, Unruhe (Pali: uddhacca), beschreibt einen tiefen Zustand der Unsicherheit und Rastlosigkeit, der entsteht, nachdem alle fundamentalen Annahmen über das Selbst und die Realität durchschaut wurden. Diese Unruhe ist nicht einfach nervöse Ruhelosigkeit, sondern eine tiefere, existenzielle Unsicherheit. Sie tritt auf, wenn wir verzweifelt versuchen, eine letzte Sicherheit oder Wahrheit zu finden, obwohl alle bisherigen Annahmen über die Welt als Illusion durchschaut wurden.

Die Natur der Unruhe verstehen

Diese Unruhe ist nicht die alltägliche Rastlosigkeit, die wir erleben, wenn wir nervös sind oder auf etwas warten. Vielmehr sitzt sie tief und hat ihre Wurzeln in einer existenziellen Leere, die entsteht, wenn alle Annahmen über das Selbst oder eine dauerhafte Realität wegfallen. Wenn wir erfahren, dass es kein festes „Ich“ gibt und dass die Welt, wie wir sie kennen, im Grunde eine Projektion unserer eigenen Konzepte ist, entsteht eine tiefe Unsicherheit.

Diese Unsicherheit führt zu einer fieberhaften, ja panischen Suche nach etwas Greifbarem, nach einer Wahrheit oder einem Konzept, das noch Bestand hat. Es ist die Erkenntnis, dass all die Dinge, von denen wir glaubten, dass sie dauerhaft und real sind, nichts weiter als Vorstellungen waren. Das führt zu einer inneren Dissonanz, die uns dazu bringt, weiter nach einer Sicherheit zu suchen, auch wenn es keine gibt.

Der Ursprung der Unruhe: Verlust von festen Annahmen

Hier geht es nicht um etwas, was wir sind oder haben, wie in den anderen Fesseln. Die Unruhe entsteht, nachdem das letzte subtile Gefühl von „Ich bin“ oder „Ich existiere“ durchschaut wurde. Bis zu diesem Punkt waren wir auf der Suche nach Beständigkeit, nach einem Fundament, das uns Sicherheit bietet. Doch nun erleben wir, dass es dieses Fundament nie gegeben hat. Die Realität, wie wir sie sehen, ist weder dauerhaft noch beständig – es gibt keine unveränderliche Substanz. Diese Erkenntnis ist so tiefgreifend, dass sie Unruhe und Panik auslöst.

Diese Unruhe ist das Ergebnis der Suche nach einem letzten Halt, einem Konzept, das noch als wahr oder real empfunden werden kann. Wenn diese Suche ins Leere läuft, bleibt nur noch die Erkenntnis, dass es nichts zu finden gibt. Dies kann sich anfühlen, als ob alle Sicherheiten entzogen werden, als ob wir in eine bodenlose Leere blicken. Wir sind aus der Bahn geworfen, aller Sicherheiten und Gewissheiten beraubt. Sie ist die pure Panik. Weil einfach nichts mehr da ist.

Die Dissonanz zwischen Vorstellung und Realität

Die Spannung zwischen der Vorstellung, wie die Welt sein sollte, und der Einsicht in ihre wahre Natur ist eine der Hauptursachen für diese Unruhe. Wir hatten uns unbewusst an den Gedanken geklammert, dass Dinge eine inhärente Existenz haben – sei es die eigene Identität, Beziehungen oder die materielle Welt. Doch nun ist klar, dass all das nur Vorstellungen waren, die sich als illusorisch herausgestellt haben.

Diese Dissonanz kann sehr intensiv sein, da der Geist noch immer versucht, etwas Dauerhaftes zu greifen. Der Geist sucht weiter nach etwas Greifbarem, was ihm das Gefühl von Stabilität geben könnte, findet aber nichts. Diese Diskrepanz führt zu einem Gefühl von Panik, weil der „Boden unter den Füßen“ plötzlich wegfällt.

Überganz zur Akzeptanz

Die 9. Fessel ist in gewisser Weise der letzte Versuch des Geistes, sich selbst zu sichern, nachdem alle früheren Überzeugungen gefallen sind. Sie markiert den Übergang vom Ringen um Wahrheiten hin zur Akzeptanz dessen, was wirklich ist, ohne eine zugrunde liegende Struktur oder Substanz. Erst wenn die Unruhe sich gelegt hat, öffnet sich der Blick auf die letzte Fessel: die Unwissenheit, die durch die vorherige Bindung an konstruierte Konzepte aufrechterhalten wurde.

Auflösung der Unruhe

Der Prozess der Auflösung der Unruhe ist subtil, manchmal kaum wahrnehmbar, doch wenn sie verblasst, bleibt ein Zustand der Ruhe und Akzeptanz zurück. Es ist ein Zustand, in dem keine aktive Suche mehr notwendig ist, weil die grundsätzlichen Missverständnisse über die Realität verschwunden sind. In dieser Erfahrung verschwindet der Wunsch, die Realität zu verändern oder ihr zu entkommen, und damit endet auch der innere Widerstand gegen das, was ist.

Die Unruhe kann in Form von übermäßigem Nachdenken, körperlicher Anspannung oder emotionalen Aufwühlungen auftauchen. Sie ist dabei nicht bloß ein intellektuelles Problem, sondern auch ein emotionales und körperliches Erleben. Doch sobald diese Unruhe sich legt, kann das, was ignoriert wurde – die letzte Illusion des Ichs – klarer erkannt werden. Dann entfaltet sich ein tiefes Verständnis dafür, dass sowohl Substanz als auch deren Gegenteil illusorisch sind, und der Geist kommt zur Ruhe.

Das Lösen der Unruhe, der 9. Fessel, im Buddhismus erfordert ein tiefes Erkennen der Natur aller Konzepte, die wir für real hielten. Nach der Einsicht, dass es kein festes “Ich” gibt, erkennen wir, dass weder Dauerhaftigkeit noch deren Gegenteil, weder Befriedigung noch Leiden, substantiell sind. Diese Gegensatzpaare bedingen einander und definieren nicht die Realität selbst. Das Loslassen der Unruhe bedeutet, die Suche nach Beständigkeit aufzugeben und zu sehen, dass das, was wir immer zu finden hofften, nicht existiert. Wir hören auf, die Realität ändern zu wollen und sind Einverstanden mit dem, was ist.

Es ist nicht so, dass etwas “Falsches” überwunden oder etwas “Richtiges” etabliert wird. Es geht vielmehr um die bisherige Annahme, dass eine bestimmte Erfahrung als „richtig“ oder „falsch“ betrachtet werden muss. Wenn diese Annahme wegfällt, entfällt auch der Drang, die Realität verändern zu wollen. Doch dies führt nicht zur Passivität. Vielmehr können wir nun anderen effektiver dienen, da wir aus einer neuen Klarheit heraus handeln können.

Das neunte Bhumi

In der Mahayana-Tradition wird dies oft als das neunte Bhumi beschrieben, das als „der gute Geist“ bezeichnet wird. Es beschreibt den Zustand eines tiefen Verständnisses für die Natur der Realität. Aus dieser Einsicht heraus können wir authentisch handeln. Dies befähigt uns, anderen auf ihrem Weg zu helfen, weil wir nicht nur erkannt haben, dass es kein festes „Ich“ gibt, sondern auch verstehen, warum wir diese Tatsache lange ignoriert haben.

Unterscheidung von Wunsch und Widerwillen

Die 9. Fessel „Unruhe“ unterscheidet sich von Wunsch und Widerwillen, obwohl alle drei mit Widerstand gegen das, was ist, verbunden sind. Wunsch und Widerwillen beziehen sich auf Wünsche nach Veränderungen, die theoretisch möglich erscheinen, wie etwa ein bestimmtes Verhalten anderer. Die Unruhe hingegen sucht nach etwas, das nicht existiert – einer grundlegenden Sicherheit oder Substanz, die jedoch nirgendwo zu finden ist.


Buddha erklärte, dass es 10 Annahmen oder 10 Fesseln gibt, die dem Erwachen im Weg stehen. Wenn du wissen möchtest, welche das sind, lies hier weiter: Durch die 10 Fesseln zum Erwachen

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