Das Empfinden von Sein: Die 8. Fessel

Das Empfinden von Sein ist die Annahme, dass Ich bin.

Wir glauben, dass das Gefühl von Ich bin wahr ist und dass Sein unsere grundlegende Natur ist. Dies ist das Ende aller Identifikation.

Buddha nannte die Fessel asmi-mana.
Die Neigung zum (Ich-)Dünken. Also die Einbildung, oder die Idee, von mir.

Aufgrund des Nicht-Wissens der 10. Fessel werden wir beunruhigt.
Durch die Unruhe der 9. Fessel entsteht Willensregung, der Durst nach Dasein und sinnlichem Erleben.
So geraten wir unter den Einfluss der Triebe:

Avijjasava (Unwissenheitstrieb)
die Neigung zum (Ich-)Dünken

Ich bin Illusion

Die 8. Fessel ist die Einbildung von Mir. Sie ist die grundlegende Art und Weise, wie wir uns mit der Erfahrung identifizieren.

Es ist die Annahme, dass Ich existiere. Dieses Gefühl zu existieren ist sehr subtil und wenn es verschwindet, gibt es keine Identität mehr. Du wirst dich nicht mehr als Frau oder Mann, als Mutter oder Vater, Christin oder Buddhistin, usw. fühlen.

Es gibt kein Innen oder Außen mehr.

Mit dem Durchschauen der 7. Fessel ist die Erfahrung der Welt, des Körpers, des Geistes verschwunden. Aber das subtile Gefühl von Ich bin oder Ich existiere ist grundlegend. Es hat nichts mit der Welt, dem Körper oder dem Geist zu tun, es ist vielmehr der Boden, auf dem das ganze Gerüst steht. Dieses Gefühl hat alles überlebt, was bisher als Illusion durchschaut und verworfen wurde. Den Glaube an ein getrenntes Selbst. Den Glauben an die Veränderbarkeit der Erfahrung. Die Annahme, dass die Welt mit uns in Beziehung steht. Die Annahme etwas von uns Unabhängiges wahrzunehmen. All das haben wir abgelegt und so liegt dieses Gefühl nun offen da und kann untersucht werden.

Dieses Gefühl des Seins, ist der Wunsch, der aus der Unruhe der 9. Fessel entsteht, dass es etwas geben muss, woran wir uns festhalten können.

Und so erfinden wir das Sein. Dann die Wahrnehmung, die Welt, die Beziehung zu ihr, die Kontrolle über sie und diese autonome Person, die das alles sicher in ihren Händen hält.

Jetzt sind wir an dem Punkt angelangt, an dem wir auf nichts mehr zeigen und sagen können: Das bin Ich! Und doch ist da dieses Gefühl…

Untersuchung der 8. Fessel

Während das Ich der ersten Fessel etwas sehr Greifbares war, nachdem wir mit den 5 Sinnen suchen konnten, ist dieses Gefühl so subtil, dass es kaum zu fassen ist. Es fühlt sich so an, als wäre es die Fassung selbst. Die Farbe an der Wand. Der Duft der Blume. Das Rauschen des Windes. Und irgendwie erzeugt dieses Gefühl ein Gefühl von Heimat. Von einem inneren Raum, der unser Zuhause ist. In dem wir wohnen und sicher sind. Vor dem Außen. Diese subtilste aller Grenzen gibt uns den Beweis, dass wir existieren.

Und so ziehen wir eine Grenze zwischen: Ich bin hier drinnen und alles andere ist draußen.

| Innen | Außen |

Aber es ist eine Illusion.

Lösen der 8. Fessel

Wenn die 8. Fessel wegfällt verschwinden alle Grenzen für immer. Es gibt kein Innen und Außen mehr. Das letzte Ich Gefühl verschwindet, da keine Trennung mehr erlebt wird, keine Dualität mehr spürbar ist. Was bleibt, ist Erleben. Das was sowieso immer nur da war. Dass keine Trennung erlebt wird, bedeutet nicht, dass keine Unterschiede mehr erlebt werden. Aber diese Unterschiede werden nicht mehr als Beweis dafür genommen, dass es Mich gibt.

Jetzt merken wir, dass es kein Ich braucht, um zu leiden. Das Leiden ist deutlich reduziert. Aber es ist noch da.

Das Ich hatte eine wichtige Funktion. Es hat uns geholfen, schmerzhafte Gefühle zu verdrängen und irgendwo im Körper festzuhalten. Und wenn es nicht mehr da ist, kommen ungelöste Traumata, die vielleicht noch da sind, ins Erleben. Meistens ist das ein Prozess, der schon mit dem Verschwinden der Ich Illusion beginnt, so dass wir uns in den Fesseln Wunsch und Widerwillen, besonders mit diesen Traumata und unterdrückten Gefühlen auseinandersetzen.

Wir können uns viel Leid ersparen, wenn wir auf dem Weg durch die Fesseln auf Anzeichen von Traumata achten, sie annehmen und (gegebenenfalls mit professioneller Hilfe) bearbeiten.

Die Worte Ich oder Mein werden noch verwendet, aber sie haben keine Bedeutung mehr in Bezug auf das, was geschieht.

Da es kein Innen mehr gibt, ist auch der Ort verschwunden, an den wir gehen konnten, wenn wir uns von der Welt zurückziehen wollten. Den Raum, den wir in der Meditation erforscht haben, hat es nie gegeben. Es gab nie ein Hier drinnen oder ein Da draußen. Es war eine Einbildung. Es war eine schöne und oft hilfreiche und sichere Illusion, die wir jetzt nicht mehr brauchen.

In der Mediation sind nun alle Sinne auf das Erleben gerichtet. Sehen, hören, spüren, riechen, schmecken. So gibt es eigentlich keinen Unterschied mehr zwischen – ja wozwischen eigentlich?

Mit dem Shift in der 8. Fessel breitet sich oft ein tiefer Friede aus. Eine unfassbare Stille. Weil einfach nichts mehr da ist. Die Grenze zur Welt ist weg. Die Reibung.

Ungetrennt vom Leben, wie ein Tropfen im Ozean. Wie die Farbe an der Wand. Wie der Duft der Blume. Wie das Rauschen des Windes. Ein Teilchen unter Teilchen. Eine Bewegung, eins mit der Bewegung des Lebens.

Ich bin ist die Grundannahme, aus der alle anderen Annahmen entstehen. Die erste und konstanteste Erfahrung, die wir haben.

Die Tatsache, dass Ich bin, ist was Ich bin. Die Erfahrung des Seins.

Alle Erscheinungen verschwinden, wenn Ich bin verschwindet. Jegliche Fokussierung auf Projektionen im Außen verschwindet.

Die erste Illusion ist Bewusstsein: Ich bin.

Dann kommen Innen, Außen, Objekte, Gefühle, Gedanken, Ich.

Die ganze Illusion dessen, was wir die Welt nennen, die ganze Welt des Erlebens, hat ihren Ursprung in der Annahme: Ich bin. Und wenn sich diese Annahme von Ich bin auflöst, ist da nur noch Unendlichkeit. Weite. Stille.


Buddha erklärte, dass es 10 Annahmen oder 10 Fesseln gibt, die dem Erwachen im Weg stehen. Wenn du wissen möchtest, welche das sind, lies hier weiter: Durch die 10 Fesseln zum Erwachen.