Im Gesehenen nur das Gesehene zu sehen – ist alles

Im Gesehenen nur das Gesehene: Es ist immer wieder faszinierend wie einfach und schlüssig diese Anleitung zum Erwachen ist. Es ist eben nicht nur eine Anleitung, sondern auch seine Beschreibung.

Mit dem Erwachen geht das Leben weiter, so wie immer. Es ändert sich eigentlich nichts. Jedenfalls können wir das Erwachen äußerlich nicht erkennen. Familie, Freunde, Job, Hobbys… für die meisten wird sich daran nicht viel ändern. Bis auf die Aspekte, die sich immer ändern.

Was sich ändert ist das Erleben.

Im Erwachen fällt alles weg, was es nicht wirklich gibt. Und dazu gehört die Identität. Wir erwachen nicht zu etwas. Wir erwachen aus etwas. Aus dem Traum ein Ich, ein Jemand zu sein. Und aus dem Strom der Gedanken, der diese Illusion erzeugt.

Die Person, die es nie gab, verschwindet. Die Persönlichkeit bleibt. Erinnerungen, Vorlieben, Abneigungen, die meisten Verhaltensweisen, der Charakter – daran ändert sich kaum etwas. Und so kommt es auch, dass nicht nur „gute Menschen” erwachen können.

Mit dem Ich verschwindet jedes Gefühl für ich, mir, meins. Es gibt niemanden, der von allem anderen getrennt existiert. Überhaupt existiert. Der etwas erlebt oder kontrolliert. Und so wichtig es auch einmal erschienen sein mag, die Kontrolle über sein Leben zu haben – es ist ein überholtes Konzept. Es gibt immer noch Handlungen. Sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen, denken, entscheiden… funktioniert alles noch. Was fehlt ist das Gefühl, Ich würde es machen.

Im Erwachen sind wir nicht emotional verstrickt und reagieren nicht mehr auf das Geschehen. Wir antworten. Wenn eine Antwort notwendig ist. Freude und Traurigkeit verschwinden nicht. Sie sind als Körperempfindungen nach wie vor zu spüren. Oft sogar sehr viel deutlicher und intensiver, da sie von den Reaktionen, wie Ärger oder Wut, nicht mehr überdeckt werden.

Ohne Ich werden keine Grenzen mehr erlebt. Die Welt besteht nicht mehr aus tausend Teilen, sie erscheint als ein Ganzes. Kein Ich hier drinnen, das eine Welt da draußen erfährt. Es ist unmöglich zwischen Gedanken, Erinnerungen und Träumen zu unterscheiden.

Erwacht sind wir kein Jemand mehr zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort. Das Gefühl für Raum und Zeit verschwindet. Und damit auch Vergangenheit und Zukunft. Das fühlt sich manchmal sehr merkwürdig an. Denn sich verankert zu fühlen in Zeit und Raum, webt ein Sicherheitsnetz um uns.

Ohne den Referenzpunkt Ich, erscheint die Welt flach wie eine Leinwand. Tiefe und Raumerfahrung verlieren sich. Es kann nicht gesagt werden, wie weit etwas von uns entfernt ist.

Die ganze Innenwelt verschwindet genauso wie die Außenwelt. Kein Innen. Kein Außen. Auch diese Trennung war nur eine Illusion. Es gibt keinen Ort mehr, an den wir uns in uns selbst zurück ziehen können. Er ist auch nicht mehr nötig.

Alles was übrig bleibt ist das, was ist. Sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen, denken. Und alles wird getragen von einem unbeschreiblichen Gefühl der Liebe, des Friedens und der Stille.

Es ist so, wie Buddha dem Mönch Bahiya gesagt hat:

Bahiya, das wirst du erkennen:
Im Gesehenen wird es einfach das Gesehene geben
Im Gehörten wird es nur das Gehörte geben
Im Gedachten wird es einfach das Gedachte geben
Im Erkannten wird einfach das Erkannte sein;
Bei all dem wirst Du nicht gesehen, gehört, gedacht oder erkannt.
Wenn Du nicht gesehen, gehört, gedacht oder erkannt wirst, bist Du nicht da.
Wenn Du nicht da bist, gibt es Dich nicht, dort oder anderswo.
Dies ist das Ende des Leidens.

Buddha

Es ist immer wieder faszinierend wie einfach und schlüssig diese Anleitung zum Erwachen ist. Es ist eben nicht nur eine Anleitung, sondern auch seine Beschreibung.

Sehen und hören beinhalten natürlich auch schmecken, riechen und fühlen. Die fünf Sinne.
Im Erwachen bleiben die 5 Sinne. Aber alle Konzepte darüber, was wir sehen, hören, riechen, schmecken oder fühlen bleiben nicht. Das ist reine Vorstellung, Fantasie, Illusion.

Alles, was wir mit den fünf Sinnen erleben, ist wirklich und wahr. Und wenn wir genau hinsehen, ist das wirklich alles, was passiert. Die Anleitung zum Erwachen lautet daher im Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen zu sehen, dass in keinem davon ein Ich ist.

Statt eine neue Fähigkeit zu lernen, geben wir jeden Glauben und jede Annahme darüber auf, wer wir sind und was wir sind. So können wir sehen, dass es uns nicht gibt. Es ist völlig unnötig zu verstehen, wer wir sind, was wir sind, was wir sehen, erkennen oder denken. Denn wir sind nicht auf der Suche nach dem Wahren Selbst, der Wahren Natur des Seins, oder danach, wie die Dinge wirklich sind.

Wir gehen nirgends hin. Auch nicht in einen Höheren Bewusstseinszustand. Im Gegenteil ist das Erwachen genau hier. Genau Jetzt. Es gibt überhaupt nichts, wohin wir gehen könnten.

Erwachen ist, was übrig bleibt. Die Hingabe daran, dass nichts persönlich, habhaft, bezüglich, dauerhaft, bedeutsam, wesenhaft, vorhersehbar, verlässlich, kontrollierbar, oder vollkommen zufriedenstellend ist.

Im Gesehenen nur das Gesehene zu sehen – ist alles.


Buddha erklärte, dass es 10 Annahmen oder 10 Fesseln gibt, die dem Erwachen im Weg stehen. Wenn du wissen möchtest, welche das sind, lies hier weiter: Durch die 10 Fesseln zum Erwachen.